Bietet er Obstkörbe im Büro und 5-Tage-Home-Office auf Ibiza an? Das werden schon bald nur noch Hygienefaktoren sein. Worum geht es hier wirklich? Um eine Frage, die so einfach wie dringend ist: Wann bleiben Menschen in Unternehmen? Wir haben die Top 5 Faktoren für Retention festgehalten. Und wir konnten auf ausgezeichnete Expertise zurückgreifen: In der zweiten Staffel unseres Podcasts TheNextWe Mindset:Wandel sprachen wir mit Top-Führungskräften über genau dieses Thema. Viel Freude und Erfolg dabei, die Zukunft der Arbeit zu gestalten!
Wir schreiben bewusst “Sinn”, denn auf dem Wort “Purpose” wurde bereits lange herumgekaut. Und dennoch war die größte Folge dieses Ratschlags oftmals nur ein neues Mission-Statement auf der Unternehmens-Website. Unsere Podcast-Gesprächspartner:innen setzten direkter an und berichteten von buzzword-freien Fragen ihrer Mitarbeiter:innen: "Was mache ich hier eigentlich?" "Mache ich das Gleiche wie meine Firma?" "Sieht meine Führungskraft den Sinn, den das für mich macht?" Die Antworten darauf sind kein "Nice to have". Sie sind der Grund zu bleiben. Darauf verlässt sich auch Deutschlands New-Work-Experte Dr. Michael Trautmann.
„Die nächste Generation wird das nicht mehr mitmachen, dass sie schlechte Führung aushalten oder dass sie den Sinn ihrer Arbeit nicht sehen oder keine Verantwortung übernehmen dürfen. Die sind dann einfach weg.“
Lubomilla Jordanova, Mitgründerin und CEO des Climate-Tech Plan A, berichtet, Ihr Unternehmen habe kein Problem mit der Great Resignation. Der Sinn von Plan A ist ja auch aktuell und für viele relevant. In der Unterstützung Ihrer Mitarbeiter:innen geht Lubomilla aber noch weiter und lebt einen Gedanken, den auch auch andere Podcast-Gesprächspartner:innen erwähnen: Der Sinn für Mitarbeiter:innen, jetzt gerade im Unternehmen zu arbeiten, kann durchaus sein, nötige Erfahrungen für ihre nächste Stufe zu sammeln. Und die kann auch außerhalb des Unternehmens liegen. Erst mit solch einer Offenheit dringen Führungskräfte und Mitarbeiter:innen zu einem wirklich belastbaren Sinn vor.
„Even if you end up on the other side, outside of the organization, you are really going to be coming out with a set of qualifications that equip you to be the next stage of your version.“
Sigrid Nikutta, Vorstandsvorsitzende der DB Cargo AG, pflichtet bei:
„Mir ist wichtig, dass Ausstiege so gestaltet werden, dass daraus wieder Einstiege werden können. Gerade wenn die Kolleg:innen in anderen Unternehmen breite Erfahrungen gesammelt haben, sind sie umso wertvoller in einer Rückkehr. Dann haben sie die Kombination aus betriebsinterner und externer Erfahrung.”
Und Sinn liegt nicht einfach herum. Er wird täglich gebildet und erneuert. Wie? Im Sich-Befragen und Ehrlich-Mit-Sich-Sein. Davon weiß Christina Raab zu berichten, die als neue Accenture-DACH-Chefin ab Tag 1 Employee Experience zur Priorität machte:
„Es ist ein Programm und ein Ansatz, der sich weiterentwickelt, wo wir uns auch selber immer wieder hinterfragen: Ist es richtig? Wie können wir erreichen, dass wir den nächsten Schritt gehen? Wie können wir glaubwürdig sein? Wie können wir für uns als Führungsteam individuell formulieren: Warum gehe ich auf diese Reise? Was erhoffe ich mir, was möchte ich meinen Teams weitergeben?“
Die großen Herausforderungen, vor denen ein Unternehmen steht, haben ein Gegenstück: die Skills aller Mitarbeiter:innen. Sie haben effiziente, wohldefinierte Prozesse? Sie haben Agenden, die Erwartbares perfekt in Meetingminuten takten? Das ist Verwaltung des Versuches, erfolgreich zu sein. Aber woher kommen die Erfolge der Zukunft bei Ihnen? Von sich voll entfaltenden Mitarbeiter:innen, die Ihrem Unternehmen die entscheidenden Impulse geben.
„Vor 20 Jahren war die Projektarbeit Monate voraus klar geplant, es wurde nach einem einheitlichen Rhythmus gearbeitet. Heute arbeiten wir auf komplexen Transformationsprogrammen, die viele Dimensionen haben. Die Arbeitsbereiche sind verschränkt. Über die Projektlaufzeit hinaus ändern sich auch nochmal die Voraussetzungen oder technischen Möglichkeiten. Und das bedeutet auch, dass wir als Teams anders zusammenarbeiten müssen, dass wir der Individualität mehr Raum geben sollten, um zu Lösungen zu kommen.“
Dass den eigenen Weg zu entdecken und zu gehen uns erfüllt, motiviert, immer besser macht – damit kennt sich die Schweizer Extrem-Abenteurerin Evelyne Binsack aus. Sie erreichte aus eigener Kraft den Nordpol, Südpol und den Gipfel des Mount Everest.
„Ich denke, wenn jemand dauernd macht, was sie machen muss oder was er machen soll, oder Glaubenssätze übernommen hat von anderen Menschen, der lebt wie ferngesteuert und am Ende des Lebens ist auch keine Fülle da. Das ist ja dann nicht das Selbst, dass er entwickeln konnte – und das eigentlich ihm zusteht.“
Auf Menschen eingehen, heißt, sich auf Veränderung einzulassen, auf Unvorhersehbares und doch genau dadurch auf einen Mehrwert, der anders nicht zu erreichen ist. Hanns-Bertin Aderhold, CEO und Gründer des HR-Tech-Startups Cobrainer, spricht von persönlichen Wachstumspfaden, wo früher nur Karrieren waren.
„Karriere und persönliches Wachstum sind heute einfach nicht mehr geradlinig, und das bietet der Gesellschaft einen Riesen-Mehrwert: Wenn Menschen in ihren Karrieren „springen“, wenn sie in ganz viele verschiedene Themen reinschauen, sich ausleben, ihre Skills in neuen Bereichen applizieren.“
Statt Rädchen in der Maschine Selbstbestimmung und Selbstständigkeit? Die Mitarbeiter:innen machen also, was sie wollen? Nein, sie machen, was sie können – wenn sie denn mal dürfen.
„Maximale Freiheit gepaart mit maximaler Verantwortung des/der Einzelnen. Wenn du für deinen Bereich die Verantwortung übernimmst und klar ist: "Du regelst das Thema", dann erwarte ich, dass du die Arbeit entsprechend machst. Und dann ist es völlig irrelevant, wie und wo. Hauptsache, das Ergebnis stimmt.“
Was macht also gute Führung von Mitarbeiter:innen aus, denen man Autonomie gewährt? Präzise Erwartungs-Formulierung und die Gewissheit: Die Aufgabe ist in guten Händen.
„Ich weiß ganz genau, dass jeder meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren oder seinen Job viel besser kann, als ich ihn kenne. Die wissen mehr, die können mehr für diesen Job – warum soll ich denn dann immer reingrätschen? Meine Aufgabe ist es, Ihnen die Möglichkeiten zu geben, die Brocken aus dem Weg zu zu räumen.“
Hanns-Bertin Aderhold sieht in der Selbstbetrachtung den Wandel vom Startup-CEO zum Scale-up-CEO, und dessen Aufgabe mit dem Ziel eines nachhaltigem Wachstums liest sich universell:
„Das ist die Aufgabe des Scale up-CEOs: Das Coachen und das Geschehen-Lassen und das Erfahrung-Sammeln-Lassen von den Talenten, die man ja genau deshalb gehired hat, weil sie besser sind in in in diesen Bereichen als man selber.“
Harvard Buisness Review ermittelte bereits 2019: “Wenn Mitarbeiter:innen Zugehörigkeit fühlen, gewinnen Unternehmen substanzielle Vorteile. Hohe Zugehörigkeit wurde verbunden mit 56% Steigerung in Job Performance, 50% Senkung der Fluktuationsrate und 75% Senkung von Krankentagen.”
Zugehörigkeit kann man nicht verschreiben. Dieses Gefühl entsteht im Menschen, der anderen Menschen begegnet.
„Das französische Wort "copain", das ist ein wunderschönes Wort. Eine Zusammensetzung von zwei Wörtern: „compagnon“: der Kamerad und Kollege und „pain“: das Brot, das ich mit ihm teile. Und ich frage mich: Warum sollte das nicht auch in einem Team möglich sein, weil: Wir arbeiten zusammen an einem Ziel, und wir wachsen auch zusammen. Also sollte es doch möglich sein, in einem Team auch „copain“ zu sein. Das ist eine ganz andere Auffassung von Teamarbeit. Dann gibt es nicht nur noch Alphas und Betas und Omegas, sondern dann wächst man eben wirklich als Team zusammen.“
Die Frage, ob Arbeitnehmer:innen im Job richtig ist, ob der Job sie genug erfüllt – diese Frage können nur sie selbst beantworten. Und dazu müssen Kolleg:innen miteinander reden, reflektieren, Neues zulassen. Alles, was so entsteht, alles, was gemeinsam erschaffen wurde, verbindet die Mitarbeiter:innen mit ihrem Unternehmen. Dass das eine stete Herausforderung ist, weiß auch Marc-Aurel Boersch, CEO der Nestlé Deutschland AG.
„Dann merkst du, dass du in einer solchen effizienten Mühle bist, in der du keine Zeit hast, neue Gedanken reifen zu lassen. Und das ist das, was wir jetzt verändern: das wieder möglich machen. Wir müssen das auch als Führungskräfte wieder addieren, also weg von Kontrolle und Aufsicht, hin zu mehr Treffen von Menschen, hin zu mehr Menschen-Zusammenbringen, die Lust haben, neue Gedanken gemeinsam entstehen zu lassen. Wir haben teilweise verlernt, gemeinsam alles zu bedenken.“
Spätestens seit der Pandemie wissen wir: Ein Unternehmen ist eben kein Gebäude, sondern es ist eine Gemeinschaft von Menschen, mit denen man idealerweise aus einem Grund zusammenarbeitet, den man auch selbst benennen kann:
„What it means to arrive, you know: You find your passion, you find your topic and then you find your tribe, the people who tick just like you.“
What a VUCA world: Krieg, Lieferketten-Engpässe, Rezession, Lockdowns: Langfristige Zukunfts-Szenarien wirken wie vergangener Luxus. Wir können nur noch auf das reagieren, was direkt jetzt passiert. Und das können wir umso besser, je mehr Erfahrungen, Ideen, Mut in unsere Reaktionen einfließen. Schon als "nur" die Pandemie die digitale Transformation befeuerte, stellten sich viele die Frage nach einem zukunftsfähigen Geschäftsmodell. Das Wissen, die Ideen, die nötigen Veränderungen dazu kommen nicht durch eine Consulting-Firma. Sie schlummern in den Mitarbeiter:innen.
„Kennst du das? Irgendjemand meldet sich, sagt: 'Ich habe einen neuen Gedanken, und den wollte ich mal teilen.' Und spätestens nach 30 Sekunden verdrehen die ersten im Raum die Augen. Das sind genau diese Momente, wo wir als Führungskräfte innehalten müssen und sagen: 'Hey, jetzt die Augen zu verdrehen ist falsch, denn dann kommen dann die neuen Gedanken wieder nicht rein.'“
Am besten die Zukunft gestalten kann ein Team, wenn klar ist, wer was am besten kann. Das Wissen um die Skills der Mitarbeiter:innen ist wichtiger als die Lebensläufe der wenigen Bewerber:innen, die auf Stellenausschreibungen eintrudeln.
„Die die alte Herangehensweise ist: Ich kauf mir Skills ein und versuche die irgendwie auf die Mitarbeiter zu drücken. Und die neue Herangehensweise ist, sich erstmal tief mit dem Mitarbeiter zu beschäftigen und dann mit ihnen zu schauen: Ok, welche deiner Skills funktionieren in unserem Unternehmens-Kontext?“
Jetzt erst recht.
Noch nie war so viel Unsicherheit – und noch noch nie war so viel Gestaltungsspielraum. Im Podcast fiel der einfache Satz:
„Man braucht keine Hierarchien, man braucht Leute, die's können und wollen.“
Ergründen wir, was unsere Mitarbeiter:innen jetzt gerade wollen! Seien wir ehrlich damit, wenn sie etwas bei uns derzeit nicht bekommen. Was folgt daraus? Was können wir gemeinsam gestalten? "Unternehmen" heißt eigentlich "Vorhaben". Unser gemeinsames Vorhaben ist doch änderbar und kann auf Ideen, Wünsche und Erfahrungen reagieren, oder? Und wenn eine:n Mitarbeiter:in da draußen wirklich das bessere Angebot lockt: In Zeiten der Great Resignation haben wir die Chance, die jeder Mindset-Wandel bietet: Wir können manche Verhältnisse nicht ändern. Aber wir können festlegen, wie wir damit umgehen.
Viel Erfolg!