Keine Angst vor Transformation: Club-Gespräch mit Tina Müller
Club-Gespräch | Führung | Podcast
2023-02-17 / Insa Klasing

Keine Angst vor Transformation: Club-Gespräch mit Tina Müller

Tina Müller zeigt sich persönlich zu einem wichtigen Thema: postpandemische Führung. Was hat Corona bewirkt, und wie müssen Führungskräfte umdenken und neu handeln? So offen wie selten zuvor teilt eine der Vordenkerinnen der deutschen Wirtschaft, was Führung heute und morgen braucht und wie Transformation gelingt.

In diesem Club-Gespräch fassen wir die Highlights unserer Podcast-Folge „Keine Angst vor Transformation" zusammen. Das ganze Gespräch von Tina Müller und TheNextWe-Mitgründerin Insa Klasing ist hier zu hören.

Analyse, Vision, Losgehen

Insa: Tina, ich freue mich riesig, dass du heute unser Gast bist. Mindsetwandel ist ja die Fähigkeit, die gleiche Situation neu zu bewerten. Man könnte auch sagen „Umparken im Kopf” und wer hat diesen Spruch erfunden? Tina Müller, und hier ist sie. Schön, dass du da bist. Du hast dir immer große Situationen ausgewählt, in denen es um große kollektive Mindsetwandel ging. Ob es bei Henkel der Turnaround der Schwarzkopfmarke ist, bei Ope eine in die Jahre gekommene Marke neu auszurichten, bei Douglas der Weg vom stationären zum digitalen Marktführer … Was braucht man, um so erfolgreich, in so völlig unterschiedlichen Situationen, immer wieder Mindsetwandel erfolgreich auf die Straße zu bringen?

Tina: Ich glaube, das Wichtigste ist am Anfang: Eine messerscharfe Analyse der Situation, um überhaupt mal anzufangen und dann natürlich gepaart mit einer Vision: Wo möchte man mit dem Unternehmen oder mit der Marke hin? Und dann kann man sich auf den Weg machen. Der dritte wichtige Baustein ist natürlich, die Organisation mitzunehmen, die Kultur zu verändern und dann eben das Mindset in der Organisation zu verändern.

„Man zettelt keine Transformation oder Revolution alleine an."

Insa: Was sind die vorherrschenden Mindsets, die genau diesen Aspekt, den du beschreibst, die Organisation mitzunehmen, am schwierigsten machen?

Tina: Ich glaube, das Wichtigste in der Transformation ist, sich andere Dinge vorzustellen. Also fernab von dem, was immer war und vielleicht nie funktioniert hat, und immer mal wieder versucht wurde und vielleicht nicht geklappt hat, es trotzdem noch mal anzugehen und es vielleicht auf andere Art und Weise anzugehen. Das Erfolgsgeheimnis dabei ist auch, dass das Glas halb voll ist und nicht halbleer ist. Denn bei ganz großen Unternehmen oder auch Marken, die sich über eine längere Zeit eher nach unten entwickelt oder Marktanteil und Umsatz verloren haben, schleicht sich ja so ein bisschen das Gefühl ein: Wir haben doch schon alles gemacht und es hat nicht funktioniert und warum sollte denn jetzt wieder jemand kommen, jemand Neues und warum sollte es dann denn am Ende funktionieren? Und das hat viel mit Mindset zu tun.

Deswegen braucht es auch manchmal Manager von außen, die mit dieser Energie und positiven Einstellung reinkommen und sagen: „Ja, auch wenn es zehnmal nicht funktioniert hat: Ich bin der Meinung, jetzt wird es funktionieren” – und die diese Energie dann auch in eine Organisation, ja sowas wie reinimpfen. Und das löst dann eben etwas aus, und dann gibt es (wie auch bei jedem Trendthema) so die „Early Adopters”, die man sich auch suchen muss als Führungskraft am Anfang. Denn man zettelt keine Transformation oder Revolution alleine an.

Kreativ und spielerisch verändern

„Ich glaube, die Regeln des Marketings gelten für jede große Transformation in einer Organisation. Man muss Lust kreieren und man muss eine Sehnsucht schüren für eine bessere Company."

Insa: Wir Menschen sind alle Gewohnheitstiere, das ist evolutionär einfach so vorgesehen. Es gibt ganz wenige Menschen, die sich über Wandel wirklich freuen, weil er uns immer erst einmal aus unserer Komfortzone heraus katapultiert und unseren Kontext unsicher macht. Wie hast du das geschafft, dann doch eben Begeisterung für etwas ganz Neues zu impfen?

Tina: Ich glaube, da spielt am Ende auch die Kreativität eine entscheidende Rolle. Bei Opel zum Beispiel hat das mit der Umparken-im-Kopf-Kampagne auch intern gut funktioniert, weil an dieser Kampagne jeder Freude und Spaß hatte. Das war so ein Potpourri, wo jeder irgendetwas rausziehen konnte und sich damit identifizieren konnte. Und das sind natürlich auch ein bisschen die Regeln des Marketings.

Ich glaube, die Regeln des Marketings gelten für jede große Transformation in einer Organisation. Man muss Lust kreieren und man muss eine Sehnsucht schüren für eine bessere Company, für ein besseres Bild, für ein besseres Miteinander und in der heutigen Zeit auch für ein „Warum”. Welchen Sinn stiftet mir eigentlich der Job, den ich tue und welchen Sinn stiftet eigentlich diese Firma, für die ich arbeite? Und wenn ich das “warum” nicht beantworten kann, dann tritt das wie automatisch in den Hintergrund und dann die geht die Motivation runter.

Über das „Warum” am Anfang nachzudenken ist sicherlich mindestens die halbe Miete – und dann kommt man ins „Wie”, und das „Wie” sollte auch einigermaßen spielerisch sein, das wird ja auch im Moment viel diskutiert, dass wir vor allen Dingen auch in der deutschen Kultur vielleicht nicht spielerisch genug an die Dinge rangehen.

Illustration: Auf einem herzförmigen Stein steht das Wort "WHY"

Und dann braucht es auch leidenschaftliche Manager, denen man das auch abnimmt. Die sich dann vor eine Truppe stellen, und wo jeder spürt: Da ist jemand, authentisch und leidenschaftlich und will das auch nach vorne bringen. Und dann entsteht so ein Zug in der Sache, und dann kann es losgehen. Insa: Du hast gerade erwähnt, dass das Team bei Opel intern begeistert war. Warum ist es wichtig, dann mit diesen Mindsetwandel intern anzufangen?

Tina: Die Belegschaft, das sind die wichtigsten Markenbotschafter. Wenn die positiv über die Marke nach draußen sprechen – und jeder hat ja einen Wirkungskreis nach draußen, persönlich, aber auch über Social Media – und wenn Begeisterung in der Organisation herrscht über etwas, dann sind es die die Influencer, die man außerhalb der Werkstore braucht und vor allen Dingen virtuell braucht, und dann gelingt das besser. Und ich finde es auch nur fair und richtig, dass man zunächst einmal intern überzeugt, bevor man dann den Kunden und die weiteren Stakeholder, die man extern hat, überzeugt.

Zeit für wichtige Fragen

Insa: Was hat Corona für einen Mindsetwandel in der Führungs- oder auch Organisationskultur insgesamt bei Douglas bewirkt?

Tina: Ich glaube, das sind so zwei Pole zwischen Produktivität und Fürsorglichkeit. Ich glaube, seit Corona ist jeder Führungskraft auch bei Douglas klar geworden, dass es zum einen natürlich um Performance geht und um Leistung, um Output am Ende des Tages. Zum anderen geht es aber deutlich stärker um Mitgefühl, sich auf die persönlichen Situationen der Mitarbeiter einzustellen. Dieses (wir nannten das auch von Anfang an, weil es natürlich auch ein Gesundheitsthema ist) „Caring”-Element in der Führung, hat, glaube ich, Corona bei allen zum Vorschein gebracht.

Insa: Da bist du wirklich Wegbereiter, Tina. Und dass du da wirklich innegehalten und gesagt hast: Nee, wir geben jetzt erst mal was zurück”: Warum war dir das so wichtig?

Tina: Ja, ich glaube du sagst, dass dieses Zeitschenken, das war eine Geste, die, glaube ich, viele wertgeschätzt haben, weil es so eigentlich nicht in den Company-Alltag reinpasst. Das war ja kein Coaching mit einem bestimmten Ziel (Also, du hast die und die Defizite und jetzt machen wir mal ein Coaching und hoffentlich ist es dann am Ende besser). Es war ja wirklich einfach Zeit zu schenken, und jeder konnte wählen, spricht ermit dem Coach über Privates, über Mindset oder Berufliches – oder mal so, mal so. Und sich rauszunehmen, sich hinterfragen zu lassen und durch die Fragen, die dann kamen, sich noch mal neu zu orientieren. Man konnte ja danach immer noch entscheiden: Möchte ich das? Will ich diesen Weg gehen oder will ich ihn nicht gehen? Aber man konnte einmal die Möglichkeiten eruieren, wie man Themen auch anders angehen kann. Insa: Für viele ist diese professionelle Unterstützung zu suchen, um selber Mindsetwandel zu machen, eher ein Tabu, gerade im Business-Kontext. Und dein Briefing Ich möchte, dass meine Führungskräfte mal jemanden haben, mit dem sie reden können” - das ist ist etwas völlig anderes. Warum siehst du das anders, warum ist es für dich kein Tabu?

Tina: Ich glaube, häufig wird es natürlich als Schwäche gesehen – man braucht Hilfe oder man möchte mit jemandem sprechen, da ist etwas nicht in Ordnung und davon müssen wir uns glaube ich lösen, auch in der Breite. Ich hab ja letztes Jahr die Erfahrung gemacht, mit meiner kleinen Not-OP, als ich im Krankenhaus landete und da auch erstmal festsaß, sozusagen. Ja, und dann kam der Chefarzt zu mir und sagte: „Ach wissen sie, wir haben hier auch so eine Art Service. Wir haben hier eine psychosomatische Abteilung und wenn sie Lust haben, schicke ich Ihnen mal eine Ärztin vorbei und die Macht mit Ihnen ein paar Gesprächssessions, also therapeutischer Art.”

Und diese Ärztin war so gut. Die hat mir so gute Fragen gestellt, dass ich die Zeit auch genutzt habe, bei mir ein paar Dinge zu hinterfragen. Und diese Erfahrung, mit jemandem zu sprechen, den man vorher gar nicht kannte, der aber professionell ausgebildet ist – das ist schon wichtig, man braucht schon eine entsprechende Methodik und Ausbildung dahinter – das hat mir sehr gut getan. Das hatte ich sicherlich auch noch im Hinterkopf, als wir die Idee dann gemeinsam umgesetzt haben, das für die Douglas-Führungskräfte anzubieten.

Ein Pfeil zeigt nach rechts

Mindset, mächtig und veränderbar

Insa: Ich glaube, es ist im Chinesischen oder im Japanischen, wo das Zeichen für Krise auch gleichzeitig das gleiche Zeichen für Chance ist.

Tina: Ich bin ja im Gesundheitsthema auch tief drin und ich hab durchaus Hypochonder-Anwandlungen gehabt in meinem Leben. Ja, aber heute, nachdem ich auch einiges erlebt habe, bin ich immer der Meinung: Am Ende wird es irgendwie gut. Und ich glaube, mit dem Mindset kommt man auch durch die dicksten Krisen.

Insa: Ja, und das ist ein Mindset von Vertrauen und Zuversicht.

Tina: Ja, Zuversicht, das braucht man auch in sich selbst. Ist das Erziehung oder ist das Genetik? Wo kommt das eigentlich her, das Mindset? Kommt das durch die Erziehung, durch den Freundeskreis, kommt das durch das berufliche Umfeld, in dem man ist? Ist das von den Erfolgen genährt, die man hatte in seiner Karriere, dass man immer denkt, beim nächsten Mal ist es der Volltreffer. Ich weiß es nicht, aber ich glaube, man kann sich auch in dieses Mindset hinein katapultieren.

Insa: Absolut. Also das Mindset ist eine Mischung aus Sozialisierung – viele Glaubenssätze, die wir haben, sind einfach Dinge, die wir schon in unserer Kindheit gehört haben – und es ist natürlich auch die Summe aller Erfahrungen, die wir gemacht haben. Aber das Tolle am Mindset ist ja, wie ich auf die Welt blicke, steuert maßgeblich, wie ich mich verhalte und dieser Welt begegne und dementsprechend auch, was meine Ergebnisse sind. Und die Ergebnisse wiederum bestätigen mein Mindset.

Tina: Und was ich ja auch gelernt habe in dem Coaching mit euch, war, zu fragen: Wenn etwas schlimm ist, was ist denn das Schlimmste, was passieren kann? Also was ist denn wirklich der absolute „worst case” und was ist dann daran so schlimm? Und ist es überhaupt so schlimm?

Insa: Tina, vielen, vielen Dank für deine Offenheit, das schätze ich total. Mindsetwandel ist am Ende eine zutiefst persönliche Angelegenheit, wie du auch dargelegt hat. Danke, dass du da warst.

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